Dienstag, 26. März 2013

Saufen oder nicht saufen

Alkohol in der Öffentlichkeit ist in Deutschland kein Problem. Im Gegensatz zu den USA, muss hier nicht mit brauner Papiertüte um die Bierflasche getrunken werden. So weit, so gut. Aber sind wir wirklich so liberal, wie es scheint?

Nein.

Denn gehört der regionale oder lokale Nahverkehr einem Privatunternehmen, kann es natürlich den Alkoholkonsum so regeln, wie ihm beliebt. Im konservativen Bayern gilt das Alkoholverbot im öffentlichen Nahverkehr schon seit 2009. Wobei die Münchner U-Bahn ohnehin kaum zum gemütlichen Weinabend einlädt. Bei der S-Bahn hingegen wäre der ein oder andere Frust-Schnaps durchaus wünschenswert. Seit 2011 darf auch in Hamburg nicht in öffentlichen Verkehrsmitteln getrunken werden. Der Deutsche Städtebund forderte daraufhin eine bundesweite Ausweitung des Alkoholverbots. Das müsste allerdings die Deutsche Bahn mittragen, der die meisten Bahnstrecken in Deutschland gehören. Für sie wäre eine Umsetzung eines deutschlandweiten Alkoholverbots zu teuer. Vielleicht fürchtet sie aber auch den Zorn der Pendler, der beim Verzicht auf das Freitagabend-Bier im Speisewaggon sicherlich aufkommen würde. Pöbelnde Trinker sind in den überteuerten ICEs ohnehin ein seltener Anblick. Selbst wenn, hätte der Schaffner hier ein Hausrecht und könnte betrunkene Störer kurzum rausschmeißen...ein bundesweites Alkoholverbot in Bus und Bahn steht also kaum zur Debatte und wird auch nicht nötig sein.

Münchner zieht sein Bierchen auf Schlitten in Richtung Feierabend (Dezember 2012 auf der Leonrodstraße)

Dafür können in Bayern die Kommunen ab 2013 auch den Alkoholkonsum im öffentlichen Raum einschränken. Das ist das Ergebnis eines politischen Kuhhandels zwischen FDP und CSU.
Die CSU stimmte einer Lockerung des Feiertagsgesetzes bezüglich des Tanzverbotes an den Stillen Feiertag zu (wenn das Gesetz den Landtag passiert, darf in der Nacht auf den Stillen Feiertag dann bis 2 Uhr gefeiert werden). Im Gegenzug stimmte die FDP dem Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen zu.

Zumindest das Ende des Wegbieres ist also nah. Dabei gehört das gepflegte Augustiner am Flaucher oder in der Sonne auf den Stufen des Odeonsplatzes zu München die Isar und der Englische Garten.

Donnerstag, 23. Februar 2012

ACTA what?

In Europa demonstrieren in diesen Tagen tausende gegen ACTA, das Anti-Counterfeiting Trade Agreement der EU - Handelsübereinkommen zur Bekämpfung von Produkt- und Markenpiraterie. Mittlerweile dürfte jeder über das PR-Video der Gruppe Anonymous gestolpert sein:


Aber abgesehen von knackigen Videos und lustigen Masken - wer der Demonstranten kennt eigentlich den Inhalt des 52-seitigen Dokuments (das übrigens hier zu finden ist: http://register.consilium.europa.eu/pdf/de/11/st12/st12196.de11.pdf)

Obwohl es bei ACTA auch um Markenschutz bei Kleidung und Ähnlichem geht, scheint hauptsächlicher Bezugspunkt der Demonstranten Abschnitt 5 (ab S.33) zu sein:

ABSCHNITT 5
DURCHSETZUNG DER RECHTE DES GEISTIGEN EIGENTUMS
IM DIGITALEN UMFELD

Interessant wird es beispielsweise bei Absatz 4:

"Eine Vertragspartei kann in Übereinstimmung mit ihren Rechts- und Verwaltungsvorschriften
ihre zuständigen Behörden dazu ermächtigen, einem Online-Diensteanbieter gegenüber anzuordnen,
einem Rechteinhaber unverzüglich die nötigen Informationen zur Identifizierung eines Abonnenten
offenzulegen, dessen Konto zur mutmaßlichen Rechtsverletzung genutzt wurde, falls dieser
Rechteinhaber die Verletzung eines Marken-, Urheber- oder verwandten Schutzrechts
rechtsgenügend geltend gemacht hat und die Informationen zu dem Zweck eingeholt werden, diese
Rechte zu schützen oder durchzusetzen."

Sprich: Wer Musik oder einen Film klaut bzw. illegal herunterläd und dabei persönliche Informationen, beispielsweise zur Abschließung eines Abos oder zur Anmeldung, eingegeben hat, muss damit rechnen, dass diese Informationen an den Rechteinhaber (z.B. die Filmproduktionsfirma) weiter gegeben werden. Im realen Leben: Du klaust eine CD bzw. bekommst eine illegal gebrannte CD von einem Zwischenhändler und dieser ist dann gezwungen deine Informationen an den Rechteinhaber, z.B. die Produktionsfirma, weiterzugeben.

Damit wäre die Anonymität des Internets nicht mehr vollständig gegeben. Andererseits - wer etwas illegal erwirbt muss doch damit rechnen, dass dies nicht ohne Folgen bleibt? Im Grunde genommen ist es doch so: Klar, wir finden es alle schön umsonst Filme und Musik herunterzuladen. Insbesondere die Filmindustrie verzeichnet dadurch allerdings erhebliche Umsatzeinbuße (die Musikindustrie hingegen konnte sich in der Zwischenzeit andere Erlösquellen wie Konzerte und Merchandising stärker erschließen). Und let's face it: Das ist einfach illegal. Natürlich hat keiner Lust etwas abzuschaffen, was ihm Geld spart und das Leben leichter macht. Das macht es aber leider trotzdem nicht weniger illegal und es kann eigentlich nur im Interesse der gesamten Bevölkerung sein geistiges Eigentum zu schützen.

Bei den meisten der Artikel steht übrigens dabei:
"Diese Verfahren sind so anzuwenden, dass [...] Grundsätze wie freie
Meinungsäußerung, faire Gerichtsverfahren und Schutz der Privatsphäre beachtet werden."

Die deutschen Gesetze zum Schutz der Privatsphäre und der freien Meinungsäußerung sind also - zumindest in der Theorie - zu beachten.

in Absatz 6 werden Schutzbestimmungen gegen
"das unerlaubte Umgehen einer wirksamen technischen Vorkehrung durch einen
Verletzer, der wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass er eine
Verletzungshandlung vornahm [...]"

Das ist etwas schwammig. Wann kann man jemandem vorwerfen er hätte wissen müssen beispielsweise gerade eine illegale Plattform zu nutzen. Gerade Digital Natives, die heute 15- oder 16-Jährigen sind vielleicht schon so versiert im Umgang mit diversen Medienplattformen, dass ihnen die Illegalität der Angebote manchmal nicht ganz bewusst ist oder sie zugegebenermaßen auch nicht interessiert.
Manche Websites, die sich in einer Grauzone der Illegalität bewegen, wie beispielsweise www.kinox.to oder www.free-tv-video-online.me, sind so professionell aufgemacht, dass selbst der medienaffine Nutzer sich der Illegalität nicht immer bewusst ist. Dazu kommt: Jeder nutzt diese Angebote. Und im Bewusstsein, dass auch der gesamte Bekannten- und Freundeskreis die entsprechenden Seiten nutz,t vergisst der Einzelne schnell, dass es sich eben nicht um legalen Medienkonsum handelt."Vernünftigerweise" ist in diesem Zusammenhang mehr als unklar und müsste im Einzelfall diskutiert und entschieden werden. Was ist vernünftig?

 Absatz 7:
Taten, die ebenfalls verfolgt werden sollen:
"a) Entfernung oder Änderung elektronischer Informationen für die Wahrnehmung der Rechte,
b) Verbreitung, Einfuhr zur Verbreitung, Sendung, öffentliche Wiedergabe oder
Zugänglichmachung von Werken, Darbietungen oder Tonträgern in Kenntnis des Umstands,
dass elektronische Informationen für die Wahrnehmung der Rechte unbefugt entfernt oder
geändert wurden. "

Elektronische Informationen wären z.B. Name des Künstlers, des Urhebers oder Informationen über Nutzungsbedingungen.

Das hier ist z.B. das Bild Sternennacht


Da ich den Namen des Künstlers und die Informationen über Nutzungsbedingungen verschwiegen habe, müsste Google, zu denen Blogspot gehört, die Informationen zu meinem Konto hier also weitergeben (wenn der heutige Besitzer danach fragen würde!).
Das Bild ist übrigens unter folgendem Link auch Online zu finden: http://www.sonntagsblatt-bayern.de/img03/2008_51_04_01_02.jpg (macht sich das Sonntagsblatt Bayern dann nicht auch strafbar? Unter der URL sind weder Name noch Nutzungsbedingungen angegeben, das Bild konnte ich mit zwei Klicks in meinen Blog kopieren und es somit unbefugt weiterverbreiten).
(Das Bild ist übrigens von Edvard Munch)


Die Intentionen von ACTA sind gut. Wie genau die einzelnen Artikel in Zukunft umgesetzt werden sollen, ist jedoch unklar und wirft, wie oben erläutert, einige Fragen zur Praktikabilität auf.
Das Internet ist eben doch ein relativ anonymer Raum. Rechtsfrei sollte er dennoch nicht sein aber inwiefern sich strengere Richtlinien durchsetzen lassen, ohne dabei die Meinungs- und Informationsfreiheit anzutasten, sollte besser noch einmal diskutiert werden.

Laut www.welt.de passiert in diesen Tagen genau das:

"Brüssel gibt dem Druck der Kritiker nach und legt das massiv umstrittene Acta-Abkommen dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg vor. "Wir werden das Gericht um eine Beurteilung bitten, ob Acta auf irgendeine Art gegen fundamentale Rechte und Freiheiten der EU verstößt, sei es die Meinungsfreiheit, der Datenschutz oder der Schutz geistigen Eigentums", verkündete der zuständige Handelskommissar Karel De Gucht in Brüssel."
(http://www.welt.de/print/die_welt/wirtschaft/article13882491/Bruessel-schiebt-Acta-auf-die-lange-Bank.html)


Montag, 23. Januar 2012

Hallo Gottschalk!

Zugegebenermaßen: Gottschalk ist einfach ein Sympathieträger. Treuer Ehemann, gläubiger Christ und  einfach so bei sich. Seine neue erste Live Talkshow, die eher einem Mini Smalltalk Stelldichein im dekorierten Wohnzimmer gleicht, war heute im Ersten zu sehen. Bewusst modern, internetaffin und aktuell versuchte man sich zu geben. Zu Beginn diskutiert er kurz die Scheidung von Schmusesänger Seal und Topmodel Heidi Klum. Die Weisheit teilt Gottschalk dabei mit beiden Händen aus. Dabei weiß er eigentlich auch nicht viel mehr als Gala und sonstige Klatschblätter schon am Tag zuvor: Die Ehe ist aus und sein Fazit: eine Ehe zwischen zwei Menschen, die beide im Showgeschäft unterwegs sind, kann nicht funktionieren. Ja, danke für diesen innovative Betrachtungsweise in dieser irrsinnig wichtigen Angelegenheit. Dann kommt Bully Herbig vorbei, um über seinen neuen Film zu reden. Lustigerweise nachdem Gotschalk in nicht enden wollenden Ausführungen erklärt hat was der Zuschauer in der Sendung zu bieten bekommt und auf welche langweiligen Talk-Standards, wie die Besuche von Stars, die eigentlich nur ihre neuen Filme vorstellen wollen, man verzichten darf. Bleibt noch die Frage, warum man Gottschalk in die Kulisse eines Mittzwanziger Wohnzimmers, inklusive Flockati Teppich und Che Guevara Druck an der Wand, gesetzt hat. Um der geringen Authentizität des Studios entgegenzuwirken, könnte man zumindest mal eine dampfende Kanne Tee auf den Tisch stellen. Auch treibt mich die Frage um, warum sich das Erste anscheinend zur Live Show kein Live Publikum leisten kann. Man vermisst die Lacher, die auf Gottschalks Witzchen folgen sollten. So sind wir es aus "Wetten, Dass" gewohnt und ein bisschen Vertrautheit soll dem Zuschauer doch gegönnt sein. Dafür soll anscheinend das Redaktionsteam sorgen, das etwas deplaziert direkt neben der Wohnzimmer Kulisse an ihren Bürotischen sitzt. Da bleibt nur zu hoffen, dass die Mitarbeiter dafür auch anständig bezahlt werden und nicht aus reinem Stolz an der neuen Sendung zu später Stunde im Studio herumhängen sollen.
Ansonsten gerne in Zukunft weniger ankündigen, versprechen und nach Aufmerksamkeit flehen, lieber einfach machen, denn darin ist Gottschalk gut.

Sonntag, 22. Januar 2012

Dora Heldt und lethargische Programmgestaltung

Wunderbar passend zum ansonsten auch meist öden ZDF Abendprogramm läuft heute die Verfilmung von Dora Heldts Roman "Kein Wort zu Papa"...aus der Programmbeschreibung auf www.tvinfo.de: "Eigentlich will Christine in Ruhe ausspannen, doch ihre lebenslustige Schwester Ines (Anne-Sophie Briest) will mit in den Urlaub. Da erreicht Christine der Hilferuf ihrer Freundin Marleen, ob sie vorübergehend ihre Pension auf Norderney führen könne."
Könnte gut sein, vermutlich allerdings genau so öde wie Heldts Buch "Tante Inge haut ab", das ich mir vor kurzem zu Gemüte geführt habe. Rosamunde Pilcher und Herr Silbereisen lassen grüßen. Da die Öffentlich-Rechtlichen dank GEZ ohnehin nicht so stark auf Werbeeinnahmen angewiesen sind, wie die Privaten, überlassen sie denen dann auch gleich die werbewirksame Zielgruppe der 14-49 Jährigen. In den Öffentlich-Rechtlichen wird derweil geschunkelt, geknuddelt und allenfalls im Sonntagskrimi kracht es mal im angepasst sozialkritischen und meist Gesellschaftsklischees unterlegenen Tatort. Die Dora Heldt Verfilmung schwimmt derweil mit im Strom seichter Unterhaltung auf geistigem Niveau unterer, verstaubter Schubladen. "Tante Inge haut ab" handelt, genau wie der heute im ZDF zu sehende Spielfilm, von einer nervigen, von überbewerteten Alltagsproblemen geplagten Mittelstandsfamile auf Sylt. Am anschaulichsten gelang Heldt hier noch die Beschreibung der Sylter Landschaften, der Dünen und der üppigen Vorgärten, die die Heldin des Buches,  mittlerweile im Ruhrpott gestrandet , so vermisst. Ansonsten werden Dialoge quälend oft wiederholt, bis auch dem zurückgebliebensten Leser die sich träge entwickelnde Geschichte verständlich gemacht wird. Allerdings zählen bei Büchern natürlich eher Verkaufszahlen als Attraktivität in der werberelevanten Zielgruppe, zu der auch Ich gehöre. Dem dtv Verlag (www.dtv.de) sei das Verlegen dieser faden Romane also verziehen - was sich gut verkauft wird, wird verkauft. Dem ZDF wünscht man doch etwas mehr Weitsicht und Verantwortungsbewusstsein, schließlich werden die GEZ Gebühren nicht nur von den Altersgruppen über 49 bezahlt, das Programm sollte also auch für Zielgruppen unter dem Pensionsalter etwas zu bieten haben.

Sonntag, 8. Januar 2012

Die Affäre Wulff oder eine unendliche, quälend langsame Geschichte

Diskussionen über Diskussionen. Abtreten oder nicht? Beichte, Schuld und Sühne. Als Medienkonsument denkt man schon länger nicht mehr darüber nach, ob und inwiefern Wulff sich etwas zuschulde hat kommen lassen, sondern: "Kann mal einer etwas tun, um diese endlos dröge Geschichte zu beenden?". Das größte Problem des Bundespräsidenten Wulff ist oder war wohl sein katastrophales Krisenmanagement. Schonmal etwas von Transparenz gehört? Oder auch anderen Regeln der professionellen Öffentlichkeitsarbeit, wie sie hier zu finden sind:

http://www.pr-professional.de/content.php?siteid=207&contentid=534 (von Frau Plehwe)

Regel Nr. 1: Authentizität siegt

-> nimmt mehr und mehr ab...leider.

Regel Nr. 2: Wertschätzung durch Individualität

Regel Nr. 3: Die Kunst des Zuhörens

... oder auch: seine Gegenüber Ernst nehmen und vor allem nicht seine Bevölkerung für dumm verkaufen.


Regel Nr. 4: Emotionen sind der Schlüssel zur Seele

...kann funktionieren..für einen Bundespräsidenten zugegebenermaßen etwas lasch! Wer will das sehen?


Regel Nr. 5: Die Kraft der Mobilisierung

Regel Nr. 6: Wer zuerst loslässt, gewinnt

Regel Nr. 7: Das größte aller Geschenke ist Gemeinsamkeit

... schwierig. Er reich, wir arm. Er Bundespräsident, wir Ottonormalvolk.

Regel Nr. 8: Keine Angst vor neuen Wegen
 
Regel Nr. 9: Königsweg Crossmedialität

Regel Nr. 10: Messen, Lernen, Messen

Und jetzt? Natürlich muss weiter diskutiert, gequält, geschrieben und gebloggt werden zum Thema Wulff. Bis es allem zum Hals raushängt, wenn es das nicht schon längst tut. Aber bis er keine akzeptable öffentliche Entschludigung und Klarstellung zu Stande bekommt, kann man die Dinge nicht ruhen lassen. Das sind wir der Demokratie schuldig.


Übrigens, sogar Carmen Mioska bezeichnet soeben die Wulff Story als "quälend". Danke für diese Zustimmung, Frau Mioska. Die gesamte Sendung findet Ihr unter
http://www.zdf.de/ZDFmediathek/hauptnavigation/nachrichten/#/hauptnavigation/nachrichten